US elections: a warning for Europe?

02 December 2016

Armon Rezai, wiiw Research Associate, comments on the economic implications of a Trump presidency and the potential effects for Europe (in German).

Trumps Wahlsieg als Menetekel für Europa

Die Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten wirft viele Fragen auf. Wie wird seine Politik aussehen? Was bedeutet dies für Europa und den Rest der Welt? Welche Gründe haben zu diesem Wahlergebnis geführt?

Eine unheilige Allianz der Willfährigen und Zurückgelassenen

Die Frage nach den Gründen wird allgemein mit der ökonomischen Stagnation der letzten Jahrzehnte im deindustrialisierten Brachland beantwortet. Jene Wähler, die nichts zu gewinnen und zu wenig zu verlieren haben, hätten Trump zum Sieg verholfen, weil er ihnen, wie schon Obama, bessere Zeiten versprach. Dieser Erklärungsansatz kann Trumps Wahlsieg aber nur teilweise erklären. Auch die Mehrheit der weißen Wähler mit Universitätsabschluss und der weißen Frauen stimmten für Trump trotz seiner frauenfeindlichen, xenophoben, rassistischen Positionen. Hier muss erwähnt werden: Im Endergebnis erhält Hillary Clinton 2,5 Millionen Stimmen mehr als Donald Trump und verlor nur knapp die für den Sieg notwendigen „swing states“. Im Falle eines Wahlerfolges Clintons wären die politischen Analysen sehr viel anders ausgefallen und man wäre schnell zum Alltag übergegangen. Trumps Strategie war jedoch erfolgreich: Die Duldung seiner Positionen durch einen großen, willfährigen Teil der Wählerschaft zusammen mit der Mobilisierung der Grantigen und Zurückgelassenen ermöglichte die Präsidentschaft Trumps.

Expansive Fiskalpolitik und Erleichterungen für Bessergestellte

Trump hatte ein großes Wahlthema: „Make America Great Again“. Was das genau bedeutet, weiß keiner so recht. Einerseits ließ Donald Trump während seines Wahlkampfes keine genauen Politikvorhaben erkennen, andererseits war er vorsichtig genug, alle klar kommunizierten Versprechungen im Kleingedruckten als provisorisch zu bezeichnen. Seiner Kritik an der Politik von Präsident Obama, welche er seit seinem Wahlsieg bereits abgeschwächt hat, wird er jedoch leicht Taten folgen lassen können, hatte doch Präsident Obama in den letzten Jahren aufgrund des Boykotts der Republikaner in der Gesetzgebung vermehrt auf das Regieren per einfachem Dekret gesetzt. Sobald Trump das Oval Office übernommen hat, kann er diese Dekrete genauso einfach wieder aufheben oder zusammen mit dem ihm wohlgesinnten Kongress Gesetze erlassen.

Das ökonomische Programm der Präsidentschaft wird sich stark an der „trickle-down“-Politik der früheren Präsidenten Ronald Reagan und George W. Bush orientieren. Expansive Fiskalpolitik, welche hauptsächlich über Steuererleichterungen für reiche Haushalte und Unternehmen operiert, hat das Potential für positive wirtschaftliche Impulse, insbesondere weil Trump keine ausgabenseitigen Einsparungen zur Gegenfinanzierung plant. Die republikanische Mehrheit im Kongress zur Umsetzung dieser wirtschaftsliberalen Positionen scheint ihm sicher, wenngleich dieselbe Mehrheit Präsident Obamas defizit-finanziertes Konjunkturprogramm als unverantwortlich kritisiert und blockiert hatte. Eine Analyse der Wahlversprechen prognostiziert einen Anstieg der Schuldenquote um 15 Prozentpunkte bis zur nächsten Wahl – ausgehend von einer Quote von 110 Prozent des Bruttosozialproduktes heute – was dem Anstieg der österreichischen Staatsschuldenquote seit Ausbruch der Finanzkrise inklusive Bankenrettung entspricht. Trumps Versprechen, die bröckelnde Infrastruktur zu modernisieren und eine große Mauer entlang der mexikanischen Grenze zu bauen, werden zusätzliche positive Wachstum- und Beschäftigungseffekte, wie schon unter dem „America Recovery and Reinvestment Act“ von Präsident Obama, bringen – zumindest für Bauunternehmer wie Trump.

Deregulierung und Belastungen für Schlechtergestellte

Wenngleich der Populist Trump sich hüten wird, das Sozialversicherungssystem zu beschneiden, wird er vermutlich die unter Obama erlassenen ArbeitnehmerInnenschutzgesetze widerrufen. Insbesondere das Verbot von All-Inclusive Verträgen für geringe Einkommen und die Erhöhung des Mindestlohnes dürften gelockert werden. Wie schon bei den Steuererleichterungen werden diese Maßnahmen vor allem BürgerInnen aus schwachen sozioökonomischen Schichten, z.B. alleinerziehende Frauen oder Minderheiten in ärmeren Regionen, schlechter stellen, aber auch Trumps Kernwählerschicht bestenfalls gleichgestellt lassen. Zudem wollen seine Berater Gesetze zur Finanzmarktstabilität (Dodd-Franks Act), die seit der Krise erlassen wurden, und Lobbying Beschränkungen aufheben. Eine weitere Verschlechterung der Einkommensverteilung und die erneute Liberalisierung der Finanzmärkte erhöhen damit erneut die Wahrscheinlichkeit wirtschaftlicher Krisen und politischer Instabilität.

Auswirkungen auf Europa: ökonomisch gering, klimapolitisch katastrophal

Die Auswirkungen der Entwicklungen in den USA für Europa und den Rest der Welt sind noch unklarer als jene für die amerikanische Innenpolitik. Allgemein ist zu erwarten, dass die Vormachtstellung der USA in der internationalen Politik nach der Präsidentschaft schwächer sein wird und daher Instabilität und (bewaffnete) Konflikte zunehmen werden.

Ökonomisch lässt Trumps Slogan „America first,“ der auf die amerikanischen Faschisten der 1940er zurückgeht, erahnen, dass Bestrebungen zur Vertiefung des Freihandels in den nächsten Jahren ohne die USA vorangetrieben werden müssen. TTIP und sein pazifischer Zwilling TPP werden voraussichtlich nicht ratifiziert oder zu Ende verhandelt werden. Nachdem alle Analysen dieser Verträge sehr kleine und einige sogar negative wirtschaftliche Effekte prognostizieren, scheint der direkte Effekt das Wirtschaftswachstum in den USA und Europa aber gering zu sein. Eine Aufkündigung der nordamerikanischen Freihandelszonen unter NAFTA hätte schwervorsehbare Effekte, welche sich zumindest kurzfristig negativ auf die Weltwirtschaft auswirken würden. Am wahrscheinlichsten scheinen jedoch kleinere Maßnahmen, denen auch der wirtschaftsliberale Flügel der Republikaner zustimmen kann, wie z.B. das selektive Einheben von Strafzöllen zum Schutz von schwächelnden heimischen Industriezweigen. Eine dramatische Abwertung des Dollars, ähnlich jener des Pfundes nach dem Brexit Votum, könnte positive Impulse für das Wirtschaftswachstum in den USA bringen, scheint jedoch kurzfristig nicht wahrscheinlich. Restriktivere Zinspolitik aufgrund eines wirtschaftlichen Aufschwunges macht dieses Szenario noch unwahrscheinlicher. Eine Aufwertung des Dollars und die expansiven Effekte des potentiellen Wirtschaftsprogramms der Regierung Trump könnten sich positiv auf die europäische Wirtschaft in Form von zusätzlichen Absatzmöglichkeiten auswirken.

Während seines Wahlkampfes kündigte Donald Trump auch an, weitere internationale Abkommen neuverhandeln zu wollen. Das Pariser Abkommen möchte er aufkündigen, nachdem er bereits Ende 2012 Klimawandel an sich als Verschwörungstheorie der chinesischen Regierung bezeichnet hat. Die Umsetzung dieses Versprechens dürfte ein leichtes sein: das Pariser Abkommen sieht keine Sanktionen oder verbindliche Reduktionsziele vor und auch hier musste Präsident Obama aufgrund der Blockade im Kongress seine umweltpolitischen Maßnahmen per einfachem Dekret realisieren. Donald Trump wird diese Richtlinien, von denen die Vorschreibung von Reduktionszielen für (Kohle-)Kraftwerke wohl die wichtigste ist, rasch aufheben. Arbeitslose Kumpel dürfen jedoch nicht auf eine Renaissance der Kohlekraftwerke hoffen. Durch den technologischen Fortschritt und die Schiefergasrevolution der vergangenen Jahre sind neue Kohlekraftwerke in den USA heute nicht mehr rentabel und bestehende Kraftwerke erwirtschaften nur Gewinn, weil ihre Kapitalkosten nach langer Laufzeit bereits abgeschrieben sind. Nachdem die USA die zweitgrößten Emittenten von CO2 sind, wären mit dieser unilateralen Abkehr die globalen Bemühungen zur Stabilisierung des Temperaturanstieges schwer beschädigt.

In der Außen- und Sicherheitspolitik ist die Position von Trump noch weit offen. Wenngleich er den Preis der NATO Mitgliedschaft und die Rolle der USA als Weltpolizist wiederholt hinterfragt hat, weicht er mit seiner Kritik am Abkommen mit dem Iran von einer generellen Appeasement-Politik ab. Zurzeit scheinen sowohl eine Erneuerung der isolationistischen Monroe Doktrin als auch der interventionistischen Domino-Theorie gleich wahrscheinlich. Geopolitische Entwicklungen in Osteuropa scheinen Trump wenig zu interessieren.

Trumps Wahlerfolg als Menetekel für Europas Stabilität

Die wichtigste Auswirkung der Wahl von Donald Trump auf Europa sollte jedoch die Erkenntnis sein, dass Wirtschaftswachstum und Wohlstand bei allen Mitgliedern der Gesellschaft ankommen müssen, wenn extreme Positionen und Populismus vermieden werden sollen. Präsidenten kommen und gehen und, um mit dem ehemaligen deutschen Bundeskanzler Schmidt zu sprechen, bei unliebsamen „wartet man auf besseres Wetter“. Die strukturellen Probleme der ungleichen Verteilung von Wohlstand jedoch bleiben. Im Vergleich zu Europa haben sich die USA rasch von der Wirtschaftskrise erholt. In Europa verursachte die künstliche Staatsschuldenkrise eine zweite Rezession. Die Arbeitslosigkeit ist noch immer in vielen Euro-Ländern auf extremem Niveau. Jene unter Jugendlichen ist nochmals um vieles höher mit z.B. 50% in Griechenland und 40% in Spanien. Zudem stagnieren Realeinkommen, vor allem am unteren Ende der Einkommensverteilung, und in einigen Ländern wurden Pensionen und (Mindest)löhne drastisch gekürzt. Damit sind die Zukunftsperspektiven für viele Bürger der EU düster, selbst wenn sie momentan einen Arbeitsplatz haben. Wie die Zurückgelassenen im amerikanischen Nordosten werden sich diese Wählerschichten vom Status-quo abwenden. Zusammen mit denjenigen Teilen der Bevölkerung, die kein Problem mit xenophoben, rassistischen und frauenfeindlichen Positionen haben, wird eine ähnliche Entwicklung wie in den USA immer wahrscheinlicher: In allen EU Ländern erstarken rechte, populistische Parteien. In Dänemark, Frankreich, den Niederlanden und Österreich führen sie in den Umfragen. In Polen, Ungarn und der Türkei werden rechtsstaatliche Grundstrukturen bereits umgebaut. Wirtschaftspolitisch muss es in der EU daher rasch ein Umdenken geben. Die deutsche und andere Regierungen sehen im Ausmaß der Staatsschulden der EU das größte wirtschaftliche Übel. Um weitere Episoden staatlicher Zahlungsschwierigkeiten und frische Transferzuschüsse anderer Mitgliedsländer zu vermeiden, wird in der Not gespart. Im Lichte des Wahlsieges eines Populisten, der die Sinnhaftigkeit von nuklearen Waffen hinterfragt, wenn man diese nicht benutzt, müssen wirtschaftliche Kooperation und die Verteilung von Wirtschaftswachstum und Wohlstand innerstaatlich und EU-weit gestärkt und als Rückversicherung für wirtschaftliche Stabilität und politischen Frieden gesehen werden. Die Kosten von immer wahrscheinlicheren „Schadensfällen“ wären einfach zu groß.


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