CETA – Boom für die KMUs?
20 September 2016
In the debate on free trade agreements the question of who will benefit frequently arises. This is also the case for CETA. A commentary by Roman Stöllinger (in German)
In der Debatte um das Für und Wider von Freihandelsabkommen taucht naturgemäß immer wieder die Frage auf, wer davon profitieren wird. Dies gilt auch für das umfassende Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA).
In der politischen Diskussion in Österreich hört man dabei immer wieder eine zentrale Behauptung: CETA hilft vor allem den Klein- und Mittelunternehmen (KMUs). Nun sollen hier keineswegs die möglichen ökonomischen Vorteile aus dem CETA-Abkommen in Abrede gestellt werden. Im Gegenteil, die Struktur der bei CETA involvierten Handelspartner spricht dafür, dass der Handels-Deal tatsächlich positive Auswirkungen entfaltet. Denn tiefgreifende Handelsabkommen wie CETA sind insbesondere dann erfolgsversprechend, wenn die beteiligten Handelspartner (i) nicht allzu große Unterschiede im Wohlstandsniveau aufweisen und (ii) die Präferenzen der Konsumenten ähnlich sind, was im Falle Kanadas und der EU durchaus gegeben sein dürfte. Große Hoffnungen auf einen Exportboom für Österreich sollte man sich angesichts des bescheidenen bilateralen Handels zwischen Kanada und Österreich allerdings trotzdem nicht machen.
Das Argument hingegen, die großen Gewinner von CETA wären auf beiden Seiten des Atlantiks vorrangig die KMUs, ist nur schwer argumentierbar – und zwar aus mehreren Gründen. Erstens ist klar, dass große Unternehmen die mit dem Export verbundenen Fixkosten auf größere Verkaufsmengen verteilen können, was höhere Exporte und höhere Profite bedeutet. Darüber hinaus sind risikobehaftete Geschäfte im Ausland, auch wenn sie einmal nicht klappen, für große Unternehmen typischerweise leichter zu verkraften als für KMUs, für die solche Wagnisse durchaus existenzbedrohend sein können. Schließlich sind große Unternehmen in der Regel auch besser vernetzt und einflussreicher, was bei internationalen Geschäften durchaus eine Rolle spielt. Dass größere, bereits im Export engagierte Unternehmen überproportional von Exportausweitungen, wie sie von CETA zu erwarten sind, profitieren, ist im Übrigen auch empirisch bestens beleget. Aus Studien über das Exportverhalten von Unternehmen in den USA und zahlreichen europäischen Ländern wissen wir, dass das Exportwachstum vorrangig durch die Ausweitung der Exportvolumen bestehender Exportunternehmen (man spricht vom „intensiven Rand“) zustande kommt, und nur zu einem geringeren Teil durch den Exporteintritt neuer Unternehmen (bekannt als „extensiver Rand“). Demzufolge ist davon auszugehen, dass die zu lukrierenden Exporterlöse und die damit einhergehenden Gewinne von neu exportierenden KMUs wesentlich geringer sind als die zusätzlichen Exporteinnahmen von etablierten Exporteuren. Dazu kommt, dass den möglichen Exporterfolge von KMUs auch eine Gruppe von KMUs gegenüber steht, die aufgrund des erhöhten Wettbewerbsdrucks die Segel streichen werden müssen. Natürlich ist die Sache etwas komplizierter, weil die Auswirkungen von Branche zu Branche unterschiedlich ausfallen können. Zudem gibt es auch innerhalb der Gruppe der KMUs hochspezialisierte Firmen, die in ihrer Nische zu den führenden Produzenten gehören und stark exportorientiert sind – die sogenannten „Hidden Champions“. Auch wird es möglicherweise einigen kleinen Zulieferern gelingen, im Sog eines größeren Unternehmens in einem ausländischen Absatzmarkt Fuß zu fassen. Manche KMUs werden also tatsächlich von CETA profitieren können. Nichtsdestoweniger ist zu betonen, dass es, nicht zuletzt auch wegen der starken Konzentration im Export (87% der österreichischen Exporte werden von 10% der Unternehmen getätigt), keinerlei empirische Belege dafür gibt, dass Freihandelskommen vorrangig KMUs zugutekommen. Dies führt uns unmittelbar zum nächsten Punkt.
Zweitens dürften die strukturellen Nachteile der KMU-Wirtschaft in Bezug auf Auslandsaktivitäten der österreichischen Wirtschaftspolitik bestens bekannt sein. Denn genau aus den genannten Gründen konnten KMUs auch in der Vergangenheit nicht im selben Ausmaß wie ihre absatzstärkeren Konkurrenten von Liberalisierungsschritten wie Österreichs EU-Beitritt oder der Osterweiterung profitieren. Daher reagierte die österreichische Wirtschaftspolitik mit speziellen Förderprogrammen für KMUs. Im Rahmen der Go International Initiative etwa können KMUs, die den Schritt in den Export wagen, um „Export-Schecks“ oder kostenlose Unterstützung durch „export angels“ ansuchen. Diese Programme werden sehr gut angenommen und fördern tatsächlich gezielt den Exporteinstieg neuer Unternehmen. Dies nützt nicht nur den KMUs, sondern hat nebenbei auch den Vorteil, dass die Programme tendenziell der Diversifizierung der österreichischen Exporte dienen. Warum gerade im Falle von CETA eine große Zahl an KMUs die Hauptnutznießer eines verbesserten Marktzuganges sein sollten – und nicht wie bisher die etablierten großen Spieler –, wurde meines Wissens jedoch noch nicht schlüssig dargelegt.
Drittens sollte man auch die Reaktionen der vermeintlichen Hauptbegünstigten von Handelsabkommen beachten. Interessanterweise gibt es nämlich europaweit mehrere Initiativen von KMUs gegen zusätzliche Handelsabkommen, die etwa gegen TTIP und CETA mobil machen.. Mag sein, dass diese Initiativen nur von einem Teil der KMU-Wirtschaft, die in sich natürlich eine sehr heterogene Gruppe ist, unterstützt werden. Dennoch erscheint dies als eine reichlich untypische Reaktion von Seiten der vermeintlichen Hauptprofiteure.
Es drängt sich also der Verdacht auf, dass hier – entgegen der empirischen Faktenlage – versucht wird, einen Mythos zu schaffen, der da lautet: Die Vorteile von CETA und Co. fallen primär den KMUs zu. Dies ist nur insofern verständlich, als dass es derzeit wenig populär ist einzuräumen, dass sich vor allem große Unternehmen über CETA freuen dürfen. Schlussendlich ist jedoch eine derartige Mythenbildung einer sachlichen Debatte nicht dienlich. Es wäre geboten, sich neben den Handels- und Effizienzeffekten, die aus Freihandelsabkommen resultieren, auch ernsthaft mit deren Verteilungswirkungen auseinanderzusetzen.