Von Zolleskalation zum Nulltarif

09 July 2018

Anstatt Zölle auf europäische Autos zu erheben, kommt nun der US-Vorschlag, sie gänzlich abzuschaffen. Geht das so einfach? Ist der Vorschlag ernst zu nehmen?

Kommentar von Julia Grübler

Nach der Einführung von Zöllen auf Stahl (25%) und Aluminium (10%) durch die USA wurden von ihren wichtigsten Handelspartnern, die das Vorgehen der USA als einen Verstoß gegen WTO-Regeln erachten, Gegenmaßnahmen eingeleitet auf welche der US-Präsident mit Drohungen, künftig höhere Zölle auf Fahrzeuge einheben zu wollen, reagierte. Doch plötzlich steht anstatt einer Zollerhöhung der Vorschlag einer gänzlichen Abschaffung von Zöllen auf Fahrzeuge zwischen den USA und der EU – eine „Null-Lösung“ – im Raum.

Wäre der Schritt zu begrüßen? Natürlich! Vertreter einzelner Industrien und auch die Wirtschaftskammer der USA (USCC) mobilisieren gegen die von Trump eingeführten Zölle, weil sie der US-Wirtschaft und vor allem den Konsumenten schadet. Es ist schwer zu sagen, ob die Kritik aus der US-Wirtschaft zum jüngsten Vorschlag einer „Null-Lösung“ beigetragen hat. Es kann durchaus auch sein, dass es im Vergleich zur Stahlindustrie schwieriger ist, Zölle auf Personenfahrzeuge als Maßnahme für die „Sicherung der nationalen Sicherheit“ [Section 232] zu begründen.

Großen Fahrzeugherstellern aus den USA und der EU – Ford oder General Motors, BMW und Daimler – wäre aktuell aber mehr geholfen, wenn man die seit kurzem bestehenden belastenden Zölle der USA gegen China und die Gegenmaßnahmen Chinas gegen die USA wieder aufheben könnte. Zölle auf US-Importe aus China im Umfang von über USD 30 Mrd wurden am Freitag, 6. Juli, verhängt. Sie betreffen auch Autos aus China, welche größtenteils von US-Firmen produziert werden. Auch China reagierte mit einer „Dollar-für-Dollar“-Strategie, womit US-Exporte nach China im selben Ausmaß mit Zöllen belegt werden.

Wäre der „Nulltarif“ auch umsetzbar? Fraglich… „Deals“ dieser Art lassen sich nicht von einem Tag auf den anderen umsetzen. Es mag ein erster Schritt sein, sich mit deutschen Fahrzeugproduzenten zusammenzusetzen, um über mögliche „friedliche“ Lösungen zu diskutieren. Aber die deutsche Fahrzeugindustrie spricht nicht für Deutschland und ganz bestimmt nicht für die EU. Handelspolitik ist die reine Kompetenz der Europäischen Kommission. Diese legt richtigerweise großen Wert auf die Einhaltung international abgeschlossener Regeln, wie die der Welthandelsorganisation.

Das Grundprinzip der WTO ist die Meistbegünstigtenklausel: Kein WTO-Mitglied darf andere WTO-Mitglieder schlechter stellen. Damit ist auch schon gesagt, dass es nicht möglich ist, einzelne Mitglieder besser zu stellen! Hier gibt es zwei bedeutende Ausnahmen:

(1) Die einseitige Abschaffung von Zöllen, um „Infant Industries“ – also Industrien, die sich noch in den Kinderschuhen befinden – in den ärmsten Ländern der Welt, welche weiterhin Zölle erheben dürfen, aufbauen zu können. Diese Option steht für die starke Automobilindustrie der Wirtschaftsgiganten USA und EU freilich nicht zur Wahl.

(2) Die zweite Möglichkeit ist, ein Freihandelsabkommen abzuschließen – und somit landen wir wieder bei der Diskussion rund um das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen (TTIP), dass US-Präsident Donald Trump praktisch bereits vor Amtsantritt auf Eis gelegt hat.

Ohne ein entsprechendes Freihandelsabkommen – das aber nicht so tief reichen muss wie TTIP, sondern auch als ein oberflächlicheres „Industriezollabkommen“ umgesetzt werden könnte – müssten die USA und die EU die gegenseitige Zollaufhebungsversprechen auf alle WTO-Mitglieder anwenden und damit ihre Einfuhrzölle auf Fahrzeuge für 164 Länder dieser Welt auf 0% herabsetzten. Vor dem Start der Zollerhöhungsspirale konnten lt. Eurostat übrigens 64,3% der gesamten Importe aus den USA zollfrei in den EU-Markt gelangen; auf 34% des Importvolumens wurden die Meistbegünstigten-Zölle für WTO-Mitglieder angewandt.

Wenn man die vergangenen Monate revuepassieren lässt, kann man auch an der Ernsthaftigkeit des Vorschlages zweifeln. Die Androhung von US-Zöllen auf europäische Autos ist mindestens so alt wie die Präsidentschaft Trumps:

  • Diese Überlegung wurde schon im Jänner 2017 (allerdings mit einem Zollsatz von 35%) geäußert. Die von Anfang an protektionistische Rhetorik Trumps wandelte sich allerdings erst wirklich im heurigen Jahr in tatsächliche Handelspolitik.
  • Am 1. März 2018 wurden Zölle auf Stahl und Aluminium angekündigt und am nächsten Tag bekräftigt, dass sich die USA nicht vor einem Handelskrieg fürchten müsste, da er leicht zu gewinnen sei. Am 3. März folgte bereits der Tweet des Präsidenten mit Androhung von Zöllen gegen europäische Autos. Zu diesem Zeitpunkt war das Motiv der Abbau des Handelsbilanzdefizits und nicht die nationale Sicherheit. Kanada, Mexiko und die EU wurden vorläufig von den Stahl- und Aluminiumzöllen ausgenommen.
  • Per 1. Juni 2018 waren jedoch auch sie betroffen. Gegenmaßnahmen der EU (vorerst auf ein US-Exportvolumen von 2,8 Milliarden Euro) traten mit Freitag, 22. Juni in Kraft. Bereits nach der ersten Stellungnahme der Europäischen Kommission, dass die USA mit Gegenmaßnahmen rechnen müsste, drohte Donald Trump am 22. Juni abermals 20% Zölle gegen europäische Autos an und forderte die Hersteller auf, in den USA zu produzieren.
  • Und plötzlich eine radikale Wende? Am Mittwoch, 4. Juli, wird der Vorschlag vorgebracht, beidseitig Zölle auf Fahrzeuge gänzlich abzuschaffen. Das klingt fast zu gut um wahr zu sein…

Fazit: Der Vorschlag einer Abschaffung von Zöllen auf Fahrzeuge zwischen der EU und den USA ist ein erfreulicher Kontrast zur US-Handelspolitik der letzten Monate. Es wäre aber zu früh, von einer Wende zu sprechen. Eine rasche Umsetzung der „Null-Lösung“ ist jedoch nicht möglich, da sie den Abschluss eines Handelsabkommens oder eine Zollabschaffung gegenüber allen WTO-Partnern nötig macht. Zudem: Der nächste Trump-Tweet kommt bestimmt und er kann genauso gut eine Drohung enthalten, Zölle auf Fahrzeuge von 30% anstatt der bisher angedrohten 20-25% anzustreben.

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