Arbeitskosten, Steuerbelastung und Wettbewerbsfähigkeit in Österreich im Vergleich mit ausgewählten CEEs
Peter Havlik, Sebastian Leitner and Roman Römisch
wiiw Statistical Report No. 4, April 2011
70 pages including 29 Tables and 10 Figures
Labour costs, tax burden and competitiveness in Austria compared with selected CEEs
Summary
The study analyses in an international comparison the key characteristics and recent developments of labour costs, taxation and productivity in Austria and selected CEEs (Bulgaria, Croatia, the Czech Republic, Hungary, Poland, Romania, Serbia, Slovakia and Slovenia). The CEEs still enjoy sizeable cost advantages, yet the fast growth of their unit labour costs implies gradually deteriorating competitiveness. A comparison of the real purchasing power of net wages reveals a lower income disparity between Austria and CEEs. The varying overall tax burden and the composition of tax revenues in the countries concerned plays a role in investment decisions as well.
Zusammenfassung
Die vorliegende Studie analysiert in einem internationalen Vergleich die wichtigsten Merkmale der Entlohnung und Besteuerung des Faktors Arbeit, die Produktivität und andere Faktoren der Wettbewerbsfähigkeit sowie die Zusammensetzung des Steueraufkommens in Österreich (AT) und neun mittel-, ost- und südosteuropäischen Ländern (CEEs): Bulgarien, Tschechische Republik, Kroatien, Ungarn, Polen, Rumänien, Serbien, Slowenien und Slowakei. Die Studie basiert auf den aktuellsten Daten von Eurostat, nationalen Quellen der jeweiligen Länder und wiiw-Schätzungen und Berechnungen. Die Ergebnisse verdeutlichen die Komplexität der Problematik, vor allem in Bezug auf ein angestrebtes „Ranking“ der einzelnen Länder oder andere standortspezifische unternehmerische Entscheidungen.
Aufgrund der höheren Produktivität lag das Niveau der durchschnittlichen Bruttoverdienste in Österreich im Jahr 2010 mit EUR 3030,- pro Monat wesentlich über jenem aller in der Analyse erfassten mittel- und osteuropäischen Länder. In Österreich liegen die Bruttolöhne im verarbeitenden Gewerbe sowie in der gesamten Industrie (Bergbau, verarbeitendes Gewerbe, Energie- und Wasserversorgung) etwas über dem Niveau in der Gesamtwirtschaft. In den meisten Ländern liegen die Bruttoverdienste in der Bauwirtschaft um durchschnittlich 17% unter jenen in der Gesamtwirtschaft (Ausnahmen: Slowakei und Ungarn). Im Gegensatz hierzu sind die Lohnniveaus im Finanz- und Versicherungswesen überdurchschnittlich hoch (in Österreich um 54% über jenem in der Gesamtwirtschaft; in Bulgarien, Rumänien, Serbien und Ungarn sogar doppel so hoch). Ein Vergleich der Nettoverdienste zu Kaufkraftparitäten schmälert die nominellen Unterschiede in den Lohnniveaus. So betragen die Nettoverdienste im Jahr 2010 in Slowenien 63% des Niveaus Österreichs, gefolgt von Kroatien (59%) und der Tschechischen Republik (58%). Etwas niedriger ist das preisbereinigte Niveau der Nettoverdienste in den mitteleuropäischen Ländern Polen (53%), der Slowakei (49%) und Ungarn (42%). Die Belastung der durchschnittlichen Bruttoverdienste durch Lohnsteuern und Arbeitnehmerabgaben zur Sozialversicherung ist in Österreich mit 34% um einiges höher als in den meisten anderen Ländern (außer in Ungarn und Slowenien). Die Gesamtbelastung des Faktors Arbeit ist in Österreich vergleichsweise hoch.
Abgesehen von den Löhnen und Lohnnebenkosten (beide zusammen = Arbeitskosten), und der Steuerbelastung des Faktors Arbeit, spielt für die Investitionsentscheidungen und Wettbewerbsfähigkeit eines Landes auch die Produktivität der eingesetzten Arbeitsressourcen eine entscheidende Rolle. Niedrige Arbeitskosten sind in der Regel auch mit niedriger (Arbeits-)Produktivität gekoppelt; eine vergleichende Analyse muss daher die Lohnstückkosten berücksichtigen. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Analyse kann man wie folgt zusammenfassen:
- Lohnstückkosten in den CEEs sind wesentlich niedriger als in Österreich;
- die meisten CEEs (außer Slowenien) haben während 2005-2008 gegenüber Österreich an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt, da ihre Lohnstückkosten stärker gestiegen sind;
- Länder mit fixen Wechselkursen haben während und unmittelbar nach der Krise die Beschäftigung stark abgebaut, um Produktivitätsverluste zu kompensieren (außer Österreich);
- Länder mit flexiblen Wechselkursen konnten durch eine Währungsabwertung die Wettbewerbsverluste kompensieren und größere Jobverluste vermeiden;
- für die kommenden Jahre wird ein erneuter Anstieg der Lohnstückkosten in den CEEs erwartet, dieser Anstieg wird steiler als in Österreich sein;
- die CEEs werden ihre bestehenden Kostenwettbewerbsvorteile gegenüber Österreich allerdings nur graduell und langsam verlieren.
Die Staats- oder Abgabenquote wird ebenfalls häufig als Maßzahl für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes angeführt. Dabei gilt es allerdings zu beachten, dass Staatseinnahmen bzw. ausgaben nur ein Teil der möglichen wirtschaftspolitischen Maßnahmen eines Staates sind. Dies bezieht sich vor allem auch auf das Verständnis von Abgabenquoten als „Steuerlastquoten“. Im Jahr 2009 lag die Gesamtabgabenquote in der EU-27 im Durchschnitt bei rund 39% des BIP und damit rund einen Prozentpunkt unter dem Niveau vor der Finanz- und Wirtschaftskrise. Von den in dieser Studie behandelten Ländern wiesen 2009 nur zwei eine höhere Quote auf: Österreich und Ungarn (43% bzw. 39,5%). Alle anderen CEEs lagen teilweise deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Ebenso unterschiedlich wie die Abgabenquote ist die Abgabenstruktur: die weniger entwickelten Länder (mit einem relativ niedrigen BIP pro Kopf), d.h. Serbien, Kroatien, Bulgarien und Rumänien, weisen tendenziell einen höheren Anteil von – leichter einzuhebenden – indirekten Steuern (Produktions- und Importabgaben) auf. Die Bedeutung direkter Steuern ist ebenfalls sehr unterschiedlich. Der Anteil der Sozialversicherungsbeiträge an den Gesamtabgaben war im Jahr 2009 mit rund 44% in der Tschechischen Republik und der Slowakei am höchsten. Vermögensteuern spielen in keinem der untersuchten Länder eine wesentliche Rolle.
Die Struktur der indirekten Steuern wird in allen Ländern von der Mehrwertsteuer dominiert; Österreich hat im Jahr 2009 mit 12,8% den höchsten Anteil direkter (Einkommen- und Vermögen-) Steuern gemessen am BIP. Im Gegensatz dazu ist der Anteil der Körperschaftsteuern am BIP und am Gesamtaufkommen direkter Steuern in Ländern, mit denen oft ein Steuerwettbewerb verbunden wird, wie der Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien, aber auch der Tschechischen Republik, höher als in Österreich. Die Bedeutung der Sozialabgaben ist ebenfalls höchst unterschiedlich. Mit Sicherheit spielt dabei die unterschiedliche Ausgestaltung der Sozialsysteme in den einzelnen Ländern eine entscheidende Rolle.
Die Studie versucht ein provisorisches „Ranking“ der einzelnen Länder nach verschiedenen (ausgewählten) Indikatoren. Die Auswahl der Indikatoren (und somit implizit auch ihre Gewichtung) kann fast beliebig ergänzt oder variiert werden. Österreich liegt in vielen Fällen (vor allem, was Entwicklungsniveau, Produktivität, Lohnstückkostenwachstum und Arbeitsmarktlage betrifft) an erster Stelle, bei den anderen Wettbewerbsindikatoren (wie z.B. Arbeitskosten, Steuerquote, Exportanteil) stehen oft Serbien, die Slowakei, die Tschechische Republik und Ungarn im Vordergrund. Kroatien, Rumänien und Slowenien liegen hingegen in diesem Länder-Ranking meist weit hinten.
Keywords: labour costs, productivity, taxation, Austria, Central and Eastern Europe
JEL classification: D24, D31, E24, E63, H2, J3, O52, Y1
Countries covered: Czechia, Hungary, Poland, Slovakia, Slovenia, Austria, Bulgaria, Croatia, Romania, Serbia
Research Areas: Labour, Migration and Income Distribution, International Trade, Competitiveness and FDI